Bildbearbeitung, wann ist ein Foto genug Bild?

Wann gilt ein Foto als fertig? Darf man es bearbeiten – und falls ja, wie stark und in welchem Umfang? Auf diese und ähnliche Fragen habe ich keine eindeutige Antwort parat. Der persönliche Geschmack spielt eine zentrale Rolle, und wie beim Thema Ästhetik lassen sich auch diese Fragen nicht objektiv klären. Dennoch lassen sich einige Beobachtungen festhalten, und ich möchte meine Gedanken dazu teilen.

Perfekt gibt es nicht

Das perfekte Bild gibt es nicht, zumindest nicht „out-of-the-box“ sprich aus der Kamera. Wer sich für das JPG-Format entscheidet, akzeptiert automatisch die kamerainterne Bildbearbeitung als Bestandteil des fotografischen Prozesses. Damit steht für diese Fotografen fest: Bildbearbeitung ist nicht nur erlaubt, sondern bereits integriert.

Viele Fotografen glauben noch immer, ein Foto im JPG-Format gelte als fertig und unbearbeitet, solange sie es nach der Aufnahme nicht weiter bearbeiten. Sie übersehen dabei, dass die Kamera bereits eine Bearbeitung vorgenommen hat. Die interne Software – sozusagen die kleinste Dunkelkammer – passt das Bild anhand der gewählten Einstellungen und Aufnahmeparameter an. Sie verändert Helligkeit, Weißabgleich, Schärfe, Kontrast und Farbsättigung. Am Ende bestimmt also der Fotograf selbst durch seine Kameraeinstellungen, wie diese Bearbeitung ausfällt.

Église St Joseph - Church of St. Joseph, Chteicamp, Nova Scotia, Canada
Église St Joseph – Church of St. Joseph, Chteicamp, Nova Scotia, Canada

Ich vergleiche das JPG gerne mit den Diapositiven aus der „guten alten Zeit“ meiner analogen Fotografie. Wenn ich von einem Dia einen Papierabzug haben wollte, musste ich das Bild scannen lassen, dabei war meistens ein Verlust in Kauf zu nehmen in Bezug auf Detailwiedergabe, Farbe und Qualität. So auch beim JPG, wenn ich das JPG als Grundlage zur weiteren Bildbearbeitung oder Optimierung nehme, dann leidet auch hier die Qualität des Bildes.

RAW-Format

Fotografen vergleichen das RAW-Format oft mit dem Negativ aus der analogen Fotografie – und das aus gutem Grund. Wer im RAW-Format fotografiert, bekennt sich noch deutlicher dazu, dass Bildbearbeitung Teil des Prozesses ist. Die Antwort auf die Frage, ob Bearbeitung erlaubt ist, fällt hier eindeutig aus: Ja.

St. Peter's Roman Catholic Church, Ingonish, Nova Scotia, Canada
St. Peter’s Roman Catholic Church, Ingonish, Nova Scotia, Canada

Wer im RAW-Format fotografiert, arbeitet mit einem digitalen Negativ und muss das Bild zwangsläufig bearbeiten – selbst wenn es nur die Einstellungen sind, die die Kamera im JPG-Vorschaubild des RAW-Fotos speichert. Ohne diesen Bearbeitungsschritt erscheint das RAW-Bild weder auf dem Bildschirm noch als gedruckte Version.

Das RAW Format ermöglicht und vereinfacht allerdings die nachträgliche Bildbearbeitung ungemein. Der Fotograf hat weitaus mehr Möglichkeiten Korrekturen und individuelle Optimierungen vorzunehmen, die zum Teil und im Vergleich zum JPG komplett verlustfrei sind. Und startet man in der Bearbeitung von vorne, dann nutzt man das komplette Potenzial des Bildes und kann das Foto so wie man es vor Augen hatte entwickeln.

Analoge Vorbilder

Wenn wir die analoge Fotografie als Vorbild nehmen wollen um nach Antworten zu suchen, dann werden wir ziemlich schnell feststellen, dass wir auch damals nicht um eine Bildbearbeitung herumgekommen sind.

Aachener Dom
Aachener Dom

Der Fotograf legt Schärfe, Kontrast, Farbsättigung und viele weitere Parameter bereits mit der Wahl des Filmmaterials und den Kameraeinstellungen zum Zeitpunkt der Aufnahme fest. Nach der Belichtung bringt er den Film zur Entwicklung – sofern er diesen Schritt nicht selbst übernimmt. Genau wie beim JPG-Format hat er dabei nur begrenzten Einfluss auf den Prozess. In der Dunkelkammer oder im Labor bestimmen Vorgehensweise und Verfahren die Qualität des Negativs. Auch bei der Ausbelichtung auf Fotopapier folgen zahlreiche Arbeitsschritte, die der Fotograf entweder selbst in der Dunkelkammer ausführt oder dem Fotofachlabor überlässt.it weniger Einfluss dem Fotofachlabor überlassen hat.

Bildbearbeitung

Wo endet eigentlich eine „erlaubte“ Bildbearbeitung? Zuerst müssen wir klären, wer überhaupt das Recht besitzt, Bildbearbeitung zu erlauben oder zu verbieten. Wenn wir bedenken, dass ohne Bearbeitung kein einziges Bild existiert, wirkt diese Diskussion fast paradox. Trotzdem halte ich es für entscheidend, bei der Bearbeitung genau zu unterscheiden, welche Elemente wir verändern – und in welchem Ausmaß.

Bildausschnitt

Schon die Wahl des Motivs, des Bildausschnitts, der Brennweite und des Blickwinkels stellt eine Form der Bildbearbeitung dar – lange bevor wir den Auslöser drücken. Als Fotografen nehmen wir eine Szene subjektiv wahr und interpretieren das Motiv nach unserem eigenen Geschmack. Entweder liefert die Kamera anschließend ein Ergebnis, das unseren Vorstellungen bereits sehr nahekommt, oder wir unterstützen unsere Interpretation durch gezielte Nachbearbeitung.

Montagen

Ich denke, dass Montagen die Veränderungen sind, über die man diskutieren kann und auch die die für den meisten Gesprächsstoff sorgen. Ein wegretuschieren von störendem Dreck durch einen unsauberen Sensor, also Sensorflecken mag meines Erachtens noch OK sein. Ein Wegretuschieren von einem Laternenmast oder sonstigen störenden Gegenständen ist hingegen schon fraglich, denn hätte man das nicht schon bei der Aufnahme vermeiden können?

Balance - Drittel-Regel und Negativer Raum schaffen Balance
Balance – Drittel-Regel und Negativer Raum schaffen Balance

Das nachträgliche Hinzufügen oder Austauschen von Gegenständen, Personen oder Bildteilen wie dem Himmel ist jedoch etwas, dass ich für mehr als fragwürdig halte. Dennoch gibt es Fotografen die solche aufwendigen Montagen vornehmen, doch ich würde dann nicht mehr von einem Foto, sondern eher einem Kunstwerk sprechen. Schon alleine deswegen und basierend auf der Tatsache, dass der Fotograf künstlich am Werk war.

Korrekturen

Korrekturen hingegen sind meiner Meinung nach unbedenklich, so kann zum Beispiel die Korrektur der Belichtungszeit und somit die Anpassung der Helligkeit eines Bildes wohl kaum als Verwerflich angesehen werden. Auch das Anpassen von Kontrast, Sättigung, Schärfe und anderer Aufnahmeparameter die zur Bild-Optimierung führen, sind meiner Auffassung nach absolut in Ordnung. Selbst Ausschnitts Veränderungen die die Bildgestaltung beeinflussen und unterstützen das Motiv in Szene zu setzen erhalten meine uneingeschränkte Zustimmung.

Optimierung

Zu guter Letzt geht es doch genau darum, das Motiv ins rechte Licht zu rücken und eine aussagekräftige Fotografie zu erstellen. Kein Bild kommt je unbearbeitet in irgendein Magazin oder wird unbearbeitet in einer Ausstellung zu finden sein. Wieviel Optimierung in einem Bild steckt ist letztlich egal – ein aussagekräftiges Bild, ist ein Bild, auf das man gerne länger schaut, doch auch hier liegt die Beurteilung darüber im Auge des Betrachters.

2 Gedanken zu „Bildbearbeitung, wann ist ein Foto genug Bild?“

  1. Wann ist ein Foto fertig? Sobald ich es in Händen halte. Digitale Fotos auf der festplatte sind nie so richtig fertig. Entweder sie kommen irgendwann in die Tonne – oder dienen dazu, an ihnen Bearbeitung zu üben oder testen … oder sind für immer vergessen.

    Darum ist Fine Art Printing für mich auch so wichtig. Qualität und Langlebigkeit sind da ausschlaggebend.

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