In meinen Grundlagenseminar zum Einstieg in die Fotografie, spreche ich mit meinen Teilnehmern auch über Fotografie und Recht. Ein wichtiger Punkt hierbei ist die Panoramafreiheit. Sie besagt, dass man von öffentlichen Orten (wie vom Gehweg, der Straße oder einem Platz aus) mit Mitteln der Malerei oder Graphik, durch Lichtbild oder durch Film Aufnahmen machen und vervielfältigen, verbreiten sowie öffentlich wieder geben darf. (Frei nach dem Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz) § 59 Werke an öffentlichen Plätzen). Wobei die Benutzung einer Leiter, einer Drohne, einem besonders hohen Stativ, oder die Nutzung eines Dachs oder eines Fensters eines gegenüberliegenden Hauses nicht gestattet ist, denn diese Orte sind nicht der Öffentlichkeit zugänglich. Doch selbst das Fotografieren von öffentlichen Orten aus und das einstellen der Bilder im Internet, wie der eigenen Homepage, Instagram, Twitter, Facebook, Google+ und Co. könnte bald zum Fallstrick für jeden werden und der Freude an der Fotografie ans eingemachte gehen.
Jean-Marie Cavada (Mitglied der Fraktion der Liberalen im Europaparlament) hat am 16. Juni 2015 einen Änderungsantrag eingereicht der die Panoramafreiheit EU-Weit regeln soll. Allerdings nicht zum Vorteil für uns Fotografen.
Diese Karte zeigt, welche Länder in der EU die Panoramafreiheit in ihren nationalen Urheberrechtsgesetzen schützen. In den grün unterlegten Mitgliedstaaten gilt Panoramafreiheit (hellgrün: nur für Gebäude), gelb unterlegte Länder erlauben die Veröffentlichung von Abbildungen öffentlicher Werke nur zu nichtkommerziellen Zwecken und in rot unterlegten Ländern gibt es überhaupt keine Panoramafreiheit. Ideal wäre es, wenn wir alle EU Länder auf der Karte in grün sehen würden, doch wird dem Änderungsantrag von Herrn Cavada stattgegeben, dann zeigt sich die Karte zukünftig komplett in Gelb & Rot.
Und was bedeutet das (für mich)?
Nun auf den ersten Blick (und wie ich meinen Teilnehmern sage) ist das Anfertigen von Fotos für den reinen privaten Bereich kein Problem, solange die Bilder auf der Festplatte, dem digitalen Bilderrahmen oder ausgedruckt auf dem Sideboard liegen oder stehen. Schwierig wird es jedoch zum einen für die Fotografen, die mit ihren Bildern Geld verdienen wollen, denn zukünftig müssen sie sich von allen Architekten deren Bauten, allen Künstlern deren Kunstwerke auf dem Bild erscheinen eine Erlaubnis holen das Bild für kommerzielle Zwecke nutzen zu können. Das bedeutet wenn man ein Foto von einer Skyline einer Stadt macht, muss man sich bei allen Architekten (nicht nur von besonderen Bauwerken) und Künstlern (nicht nur von einem Brunnen, einer Statue, sondern auch von Graffitis) vergewissern ob das Werk urheberrechtlich geschützt ist, und sobald dies der Fall sein sollte, eine Genehmigung einholen und am besten mit dem Rechteinhaber oder der verantwortlichen Verwertungsgesellschaft ein „Property Release Vertrag“ abschließen! Wie viele Gebäude sind so in der Regel auf einem Foto zu sehen und wie um Himmels willen will man in der Lage sein zu allen Gebäuden den Rechteinhaber oder die verantwortliche Verwertungsgesellschaft ausfindig zu machen?
Der ein oder andere mag ja jetzt denken, ach was soll es, ich möchte ja kein Geld mit meinem Foto verdienen! Prima dann halte dich aber daran, dass du dein Bild in deinen vier Wänden und nicht auf sozialen Medien teilst. Nehmen wir mal das Beispiel Facebook – mit der Nutzung deines Accounts stimmst du den Nutzungsbedingungen von Facebook zu, Facebook nimmt sich das Recht zur kommerziellen Nutzung deiner Bilder (Abschnitt 9.1 der Facebook Nutzungsbedingungen) und geht davon aus, dass du alle nötigen Rechte an dem Bild besitzt. D.h. du musst dich darum kümmern, das Facebook deine Bilder kommerziell nutzen darf (Abschnitt 5.1 der Facebook Nutzungsbedingungen). Viel Spaß also beim Herausfinden ob deine Fotos urheberrechtlich geschützte Werke enthalten und bevor du es auf Facebook postest, die Genehmigung beim Rechteinhaber oder der verantwortlichen Verwertungsgesellschaft für die urheberrechtlich geschützten Werke eingeholt und dich, am besten über einen Lizenzvertrag (Property Release), abgesichert hast.
Am 9. Juli wird das Plenum des Europaparlaments über meinen Bericht zur Urheberrechtsreform abstimmen. Das ist die letzte Chance für die Abgeordneten, eine Änderung der Passage zur Panoramafreiheit zu diskutieren und zu beschließen. Eine Möglichkeit dem entgegen zu wirken ist zum Beispiel das Unterzeichnen der Petition gegen die geplante Änderung zur Panoramafreiheit.
Wer noch mehr über das Thema lesen möchte sollte sich einmal folgende weiterführende Seiten ansehen:
- Julia Reda – Panoramafreiheit in Gefahr
- EU copyright reform must balance right holders’ and users’ interests, say MEPs
- Panoramafreiheit in Gefahr durch EU-Initiative