Fotografische Wahrnehmung

Die fotografische Wahrnehmung ist der Schlüssel zu Bildern, die über bloße Schnappschüsse hinausgehen. In einer Welt, wo digitale Speicher massenhaft und flüchtig mit Fotos gefüllt werden und der nächste Klick oft wichtiger erscheint als das Foto selbst oder das bewusste Erleben der Fotografie, macht es Sinn, aufzuschauen, innezuhalten, zu genießen und zu versuchen, eins mit der Szenerie und dem Motiv zu werden. Fotografie beginnt nicht mit der Kamera, sondern mit dem eigenen Blick auf das, was abgelichtet werden soll, und der Umgebung. Den verschiedenen Ebenen, der Tiefe in der Szene, der Struktur und natürlich dem Spiel des Lichts mit Schatten und Farben. Ein Tanz aus Achtsamkeit, Emotion, bewusstem Sehen und Spüren. Genau darum wird es in Zukunft verstärkt auf meinem Blog gehen.

Sendepausen

Der Grund, weshalb ich meinen Fotoblog in der letzten Zeit nur sporadisch mit neuen Artikeln versorgt habe, liegt darin, dass ich überlege, wie ich einen Fotoblog schaffen kann, der sich von der Masse abhebt. Denn Fotoblogs, die sich mit den fotografischen Grundlagen beschäftigen, Blende, Belichtungszeit, Lichtempfindlichkeit, Programmautomatiken, Funktion hier und Knopf da erklären, gibt es bereits und zwar, wie Sand am Meer. Ebenso Fotoblogs, die sich in einer fast lückenlosen Präsentation der neuesten Gadgets, Taschen, Kameras, Objektiven und dergleichen verlieren, egal ob das Vorgestellte wirklich Sinn macht, Vorteile bringt oder einfach nur Spaß macht. Fast wie ein Mantra werden stumpf, technische Daten wiedergegeben und unter Laborbedingungen verglichen, aber so funktioniert das Leben nicht. Bei manchem Fotoblog und YouTuber habe ich den Eindruck, dass es nur darum geht, dem Gott des Algorithmus zu folgen und möglichst vielen gefallen zu wollen, um noch mehr Klicks zu erhaschen, alles nach dem Motto „Sex sells“. Nur Mainstream, zigfach kopiert und nachgemacht.

Und ich bin da anders? Nein und Ja

Ja, auch mir würde es gefallen, mehr Follower zu bekommen, mehr Leserinnen und Leser zu begeistern. Auch, dass sie regelmäßiger auf meinen Blog kommen, nicht nur wegen eines speziellen Beitrags. Sie dazu zu bewegen, auch mal etwas zu lesen, das links und rechts von diesem Beitrag steht. Doch zu welchem Preis bin ich bereit, diesen Blog und seine Artikel zu promoten? Dass ich nicht dem Trend zum Gefallen des Algorithmus folgen möchte und social Media gerechte Happen servieren will, habe ich bereits angedeutet. Aber dennoch, ich bin noch nicht vollends sicher, wie die Reise meines Blogs mit seinen Artikeln weitergehen wird. Eines steht jedoch schon fest, ich möchte mich nicht ausschließlich auf eine Richtung festlegen.

Fußspuren auf einem Weg, eisige Kälte, ein trostloser, dunkler Wald. Ich kann entscheiden, wo es lang geht.
Fußspuren auf einem Weg, eisige Kälte, ein trostloser, dunkler Wald. Ich kann entscheiden, wo es lang geht.

Authentizität

Mir schwebt vor mich vermehrt, mit Kreativität, persönlichen Projekten, der Achtsamkeit und Emotionen zu beschäftigen. Und deshalb geht es in diesem Beitrag zunächst darum, den Blick zu schärfen, die Wahrnehmung zu vertiefen und Bilder zu erschaffen, die wirklich berühren. Wahrscheinlich ist mein Vorhaben keine neue Idee. Ich habe auch nicht recherchiert, wie viele Fotoblogs einer solchen Herangehensweise sich verschrieben haben. Letztlich denke ich, es ist auch egal, denn es geht darum, authentisch zu sein und das zu zeigen, was ich empfinde, wie ich an die Fotografie herangehe. Was mir gefällt, was mir Spaß macht. Das können auch, wie bereits bei mir auf dem Blog in der Vergangenheit erschienen, Beiträge sein, die technisch sind, Bücher, Software oder Gadgets vorstellen, aber nur dann, wenn es in meinen Augen Sinn macht, mir die Sache wirklich etwas bedeutet und ich dahinter stehe.

Alles beim Alten?

Also doch, nichts Neues oder Andersartiges? So wird mancher nun denken – nun werden wir sehen. Wie bereits geschrieben, bin ich mir noch nicht zu hundert Prozent sicher. Sicher ist aber, dass ich das Rad nicht neu erfinden kann und muss. Ich möchte am Bloggen und an der Fotografie wieder Freude haben, dann wird es bestimmt auch Beiträge in kürzeren Abständen geben und das Warten durch die eigene fotografische Wahrnehmung überbrückt. Noch dabei? Dann nicht weiter lang Schnacken, los geht’s. Lass dich gedanklich verführen.

Fotografische Wahrnehmung - minimalistische Muster am Strand durch Licht und Schatten verstärkt
Fotografische Wahrnehmung – minimalistische Muster am Strand durch Licht und Schatten verstärkt

Inspiration

Ich habe mich in den letzten Wochen intensiver mit wertvollen Impulsen von Jana Mänz beschäftigt. Zunächst bin ich auf eine dreiteilige Artikelreihe von ihr auf Fotowissen, von Peter Roskothen, gestoßen, die mich tief beeindruckt hat. Ihre Gedanken, die sie in den Teilen „Sehen lernen – Die verborgenen Grundlagen der Wahrnehmung für die Fotografie„, „Die Ebenen der Wahrnehmung – Vom Sehen zum Spüren“ und „Wahrnehmung üben – Psychologie, Praxis und persönliche Bildsprache“ entwickelt, sind für mich eine wunderbare Bestätigung und Beschreibung dessen, was ich versucht habe, mit nur einem Wort zu umschreiben – Sensorgrafie1 Sen|sor|gra|fie, die – digitale Fotografie, [Verfahren zur] Herstellung dauerhafter, durch elektromagnetische Strahlen oder Licht erzeugter Bilder. Das Wort Sensorgrafie beschreibt im Grunde die Aufnahmetechnik einer digitalen Kamera. Ein [Bild]Sensor speichert ein Foto, das als solches Sensorgramm heißen müsste. Aber Sensorgrafie bedeutet für mich weit mehr als nur die reine Technik. Im Wort „Sensor“ steckt das lateinische Wort sentire (dt. fühlen, empfinden), was so viel wie Wahrnehmen und Beobachten heißt. Wenn ich das Wortspiel weiterführe, dann heißt der Fotograf mit einer digitalen Kamera eigentlich Sensorgraf. Ein Sensorgraf benötigt, genauso wie der Fotograf, ein gewisses Gespür, eine Beobachtungsgabe und gute Wahrnehmung für ein gutes Foto. Neugierig geworden, habe ich dann ihren Blog erkundet und folge nun ihren Beiträgen und Gedanken über ihren Newsletter und meinen RSS-Reader.

Fotografische Wahrnehmung

Sei mal ehrlich: Wie häufig hast du Fotos gemacht, die zwar technisch perfekt, aber ohne Geschichte oder Emotion geblieben sind? Was ich damit meine, ist, nachdem du das Foto auf deinem Computer geladen hast und es am Monitor siehst, spricht es dich nicht mehr an. Manchmal stelle ich mir dann Fragen, was habe ich hier eigentlich fotografiert? Was wollte ich mit diesem Foto erreichen, was einfangen und was damit ausdrücken? Es ist dann so, als hätte das Bild keine „Seele“ mehr. Ich denke, es liegt daran, dass ich nicht achtsam genug das Foto eingefangen habe. Ich habe das Motiv nicht wirklich mit mir selbst in Einklang gebracht.

Technisch nicht perfekt, aber das Licht und die Unschärfe im Bild heben die Hasenglöckchen links und im Vordergrund des Fotos hervor, sie verleihen dem Foto ein gewisses Etwas - eine "Seele".
Technisch nicht perfekt, aber das Licht und die Unschärfe im Bild heben die Hasenglöckchen links und im Vordergrund des Fotos hervor, sie verleihen dem Foto ein gewisses Etwas – eine „Seele“.

Es ist so, als wäre das Motiv vor der Kamera in einer anderen Welt gewesen und ich auf der anderen Seite der Kamera in meiner eigenen Welt gefangen. Heutzutage und immer häufiger ertappe ich mich jedoch dabei, wesentlich weniger den Auslöser zu drücken. Ja, ich komme des Öfteren nach Hause und habe nicht ein einziges Foto gemacht. Schlimm? Nein! Es war dennoch schön, draußen zu sein. Fotos haben sich einfach nicht zu erkennen gegeben, weil ich wahrscheinlich zu gefangen war in Gedanken, die sich weniger mit der Fotografie und Motiven beschäftigt haben.

Wie kommt man nun dazu anders zu fotografieren?

Ehrlich gesagt, ich habe kein Patentrezept. Keine Anleitung, die zu hundert Prozent das Gelingen garantiert. Dennoch, versuche einmal, dich an einen Ort zu begeben, an dem du fotografieren möchtest. Setze dich irgendwo hin und schaue einfach. Lass die Kamera dort, wo sie ist. Schaue einfach umher und beobachte die Szenerie. Egal in welcher Szene du dich gerade befindest, lass alles auf dich wirken. Lass das Licht kommen, sich verändern und lass es gehen. Beobachte die Pflanzen, die Menschen, die Tiere, die Häuser, den Verkehr, das fließende Wasser, egal was deine Szene hergibt. Lass die Dinge kommen und gehen. Du bleibst in der Szene und beobachtest nur. Je länger und intensiver du dich mit deiner Szene auseinandersetzt und auf dich einwirken lässt, desto mehr wird dir darin auffallen.

Meditaiv wirken diese Bäume im Wald, bei Nebel, der dieser Szene Räumlichkeit verleiht. Mitten unter den großen Bäumen, ein kleiner Baum, fast schon einsam, mitten im Wald unter all den anderen Bäumen.
Meditaiv wirken diese Bäume im Wald, bei Nebel, der dieser Szene Räumlichkeit verleiht. Mitten unter den großen Bäumen, ein kleiner Baum, fast schon einsam, mitten im Wald unter all den anderen Bäumen.

Du wirst unter Umständen plötzlich Strukturen entdecken, die dir im ersten Augenblick verborgen geblieben sind. Dinge, die sich wiederholen und doch jedes Mal anders sind. Die Szenerie wird sich offenbaren, du wirst merken, dass es mehrere Ebenen gibt, die, wenn du deinen Standort wechselst, untereinander kommunizieren. Sie scheinen miteinander in Verbindung zu stehen und ihre Aussage wird sich mit dem Wechsel deiner Position verändern. Dinge, die verborgen waren, werden in Erscheinung treten, andere werden womöglich verschwinden. Achte bewusst und genau auf die Dinge, die da passieren.

Nehme Wahr

Lass dir Zeit bei diesem Vorgang. Versuche nicht nur, deinen Seh-Sinn zu nutzen. Höre, rieche, fühle. Nutze alle Sinne, die dir zur Verfügung stehen. Du bist dann ein Teil der Szene, wenn auch nur als Beobachter. Aber die Szene und Motive sollten sich dir erschließen und du trittst mit dem Motiv in Verbindung. Du verknüpfst so mit dem Foto mehr als nur einen flüchtigen Augenblick, mehr als nur den Seh-Sinn, du nutzt zum Erstellen deines Fotos all die anderen Sinne, die dir eine emotionale Bindung zum Motiv und dem späteren Foto ermöglichen. Versuche, all deine Empfindungen in diesem Moment festzuhalten. Übe dich darin, all dies in deinem Foto festzuhalten und diese Eindrücke jemand anderen durch dein Foto zu vermitteln. Gib deinem Foto eine Seele und lasse es erzählen.

Langzeitbelichtung zum Entschleunigen und bewusstes Fotografieren, um das Wasser des Meeres zu glätten.
Langzeitbelichtung zum Entschleunigen und bewusstes Fotografieren, um das Wasser des Meeres zu glätten.

Geduld

Es bedarf einer gewissen Übung, du benötigst Offenheit gegenüber dieser Art der Herangehensweise und du brauchst Geduld. Du wirst ein gewisses Gespür entwickeln und immer einfacher einen Zugang zum Motiv und zum Foto finden. Nicht immer, wie gesagt, ich komme oft ohne ein Foto nach Hause, aber ich habe mich in Achtsamkeit geübt. Das baut nebenbei auch Stress ab. Du musst es nicht erzwingen, lass alles auf dich wirken. Lass auch deine Gedanken schweifen, lass sie kommen, akzeptiere sie und lass sie gehen. Wie die Beobacxhtung eines vorbeifahrenden Autos.

Verfange dich nicht darin, konzentriere dich lieber wieder auf deine Szene und versuche, das Bild zu visualisieren, das dir vorschwebt. Schaue und überlege, von welcher Position die Aussage des Fotos unterstrichen wird und von wo aus die Aussage am kräftigsten ist. Welcher Zeitpunkt ist der richtige, der dem Foto das gewisse Extra gibt. Hier meine ich, wenn zum Beispiel der Lichtschein oder ein Objekt aus einer bestimmten Richtung kommt oder sich an einer bestimmten Position befindet.

Übung und Wiederholung

Nicht allzu seltsam, wirst du merken, es ist nicht der richtige Zeitpunkt, nicht das richtige Licht, das fehlende Objekt oder das Objekt befindet sich nicht an der gewünschten Position. Dann komme ein anderes Mal zu dieser Szene zurück und versuche es erneut. Nur eine Bemerkung noch, du wirst beim nächsten Mal deine Sinne und Gedanken anders wahrnehmen, genauso wirst du von neuem anfangen müssen, dich auf die Szene einzulassen. Deine Empfindungen und deine Stimmung wird anders sein, als beim letzten mal. Es wird immer anders sein, immer neu, mit immer wieder anderen Erkenntnissen. Und mit ein wenig Geduld wirst du auch das Foto mit nach Hause nehmen, das über all die Emotionen und dem Ausdruck, dem gewissen Extra verfügt, dass auch andere Betrachter ohne jegliche zusätzliche Erklärung zum Foto verstehen werden, auf ihre eigene Art eben.

Jetzt interessiert mich natürlich, wie du fotografische Wahrnehmung empfindest und ob du die Achtsamkeitstechnik schon ausprobiert hast.

Randnotizen

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    Sen|sor|gra|fie, die – digitale Fotografie, [Verfahren zur] Herstellung dauerhafter, durch elektromagnetische Strahlen oder Licht erzeugter Bilder. Das Wort Sensorgrafie beschreibt im Grunde die Aufnahmetechnik einer digitalen Kamera. Ein [Bild]Sensor speichert ein Foto, das als solches Sensorgramm heißen müsste. Aber Sensorgrafie bedeutet für mich weit mehr als nur die reine Technik. Im Wort „Sensor“ steckt das lateinische Wort sentire (dt. fühlen, empfinden), was so viel wie Wahrnehmen und Beobachten heißt. Wenn ich das Wortspiel weiterführe, dann heißt der Fotograf mit einer digitalen Kamera eigentlich Sensorgraf. Ein Sensorgraf benötigt, genauso wie der Fotograf, ein gewisses Gespür, eine Beobachtungsgabe und gute Wahrnehmung für ein gutes Foto.

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