Sehen ist nicht gleich Sehen · Es ist kein Senf da!

Sehen ist nicht gleich Sehen? Was ist denn damit gemeint? Ein jeder von uns hat ein solches Erlebnis mit Sicherheit schon mindestens einmal selbst erlebt. Wir suchen im ganzen Haus oder in der Wohnung nach einem bestimmten Gegenstand, das kann der Haus- oder Autoschlüssel sein. Eigentlich liegt er immer an der gleichen Stelle, doch da ist er nicht! Wir laufen in der ganzen Wohnung oder im Haus umher und suchen nach unserem Gegenstand, können ihn allerdings nirgends sehen. Erst wenn wir genauer schauen, liegt er doch tatsächlich dort, wo wir ihn immer hinlegen oder zuletzt hingelegt haben. Wir sind an dem Gegenstand die ersten Male quasi vorbeigelaufen, ohne ihn zu sehen, in dem Moment wo wir ihn finden, „Sehen“ wir.

Unser Gehirn ist entweder zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt, blendet einfach Dinge die unwichtig sind aus oder nimmt wichtigere Dinge eher wahr, als das wir sie sehen. Wie können wir unserem Gehirn ein Schnippchen schlagen?

Ich stelle zwei Übungen vor, die das Erlebnis „Sehen“ bewusster werden lassen: auch wenn sie einem eventuell kindisch oder blödsinnig erscheinen, sollte man sie einmal ausprobieren. Das Ergebnis lässt sich nicht wirklich beschreiben, fassen oder messen, denn jeder erlebt diese Übungen individuell anders und wieder andere stellen überhaupt keinen Effekt fest, doch probieren Sie es einfach selbst aus.

Sehen ist nicht gleich Sehen – Übung 1

Die erste Übung besteht darin, für 5 Minuten im Raum oder der Wohnung umherzugehen und sich auf Dinge zu konzentrieren, darauf zu zeigen und sie mit einem „falschen“ Namen zu benennen. Wir sehen zum Beispiel einen Apfel und sagen Birne und sprechen den falschen Namen laut aus. Wir sehen ein Glas und sagen Hammer, wir sehen ein Bild und sagen Kaffeetasse Es ist egal was wir zu einem Gegenstand sagen, die Hauptsache ist, wir konzentrieren uns auf den Gegenstand und sagen etwas völlig Anderes – und das tun wir nun für 5 Minuten.

Nach den fünf Minuten schauen wir uns einfach weiter um, sagen jedoch nichts mehr und denken auch nicht mehr an „falsche“ Dinge. Sie werden vielleicht feststellen, dass Sie einen Moment lang alles klarer sehen, mehr Kontrast erkennen. Sie sehen eventuell bewusster oder die Räumlichkeit wird plastischer, das heißt Sie sehen besser Tiefen und unterschiedliche Ebenen. Sie sehen eventuell die Konturen der Gegenstände schärfer, d.h. Sie haben eine intensivere Kontrastwahrnehmung. Alles im allen dient diese Übung dazu, dem Gehirn ein Schnippchen zu schlagen und ein intensiveres Seh-Erlebnis hervorzurufen.

Sehen ist nicht gleich Sehen - Das ist eine Banane
Sehen ist nicht gleich Sehen – Das ist eine Banane
Sehen ist nicht gleich Sehen - Das ist ein Glas Senf
Sehen ist nicht gleich Sehen – Das ist ein Glas Senf

 

Sehen ist nicht gleich Sehen – Übung 2

Die zweite Übung ist etwas konventioneller. Wenn wir eine Straße entlanggehen, das kann ruhig ein gewohnter Weg sein, dann suchen wir uns einen Gegenstand aus, der weiter von uns entfernt ist und am Rande des Weges steht. Das kann ein Gegenstand sein, den wir schon des Öfteren gesehen haben und im Grunde wissen, wie er aussieht. Es kann aber auch ein völlig fremder Gegenstand sein.

Bei dieser Übung konzentrieren wir uns aber nicht direkt auf den Gegenstand, sondern nur indirekt, aus den Augenwinkeln heraus. Wir schauen geradeaus an ihm vorbei. Wir gehen auf den Gegenstand zu, halten ihn aber immer nur in den Augenwinkeln. Wir schauen nur an dem Gegenstand vorbei, konzentrieren uns aber auf den Gegenstand. Selbst, wenn wir den Gegenstand nur aus dem Augenwinkel betrachten dürfen, so versuchen wir, so viele Details und Eigenschaften wie möglich zu erkennen. Achten Sie auf Struktur, Farbe und Form. Benutzen Sie gezielt ihr peripheres Sichtfeld. Je näher wir dem Gegenstand kommen, desto mehr gerät der Gegenstand in unser peripheres Blickfeld.

Erst wenn wir auf der Höhe des Gegenstandes angekommen sind, schauen wir den Gegenstand direkt und genauer an. Sie werden jetzt vielleicht feststellen, dass einige Details des Gegenstandes besonders hervorstechen, eventuell bemerken Sie Details, die Ihnen zuvor nicht aufgefallen sind. Kennen Sie den Gegenstand, dann bemerken sie eventuell Dinge, die Ihnen bislang entgangen sind, Sie sehen Strukturen klarer, erkennen mehr Muster, bemerken eventuell Schrauben oder andere Dinge, die bisher nicht ins Auge gefallen waren, eventuell sagen Sie „wow“, das habe ich bislang noch nie so wahrgenommen – in diesem Moment „sehen“ Sie!

1 Gedanke zu „Sehen ist nicht gleich Sehen · Es ist kein Senf da!“

  1. Hallo Jörg,
    das sind zwei interessante Übungen und Tipps. ich bin immer wieder auf der Suche nach kreativen Ideen und Übungen, wie sich das Sehen verbessern lässt. Ich habe öfters das Gefühl der Kreativitätskelch ist an mir vorbeigereicht worden ^^ Ist notiert und werde ich in den kommenden Tagen mal ausprobieren. Ich danke Dir und sende Dir viele grüße aus Lübeck.
    André

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